Die Optimierung von Angeboten und der Verzahnung von Prozessen im Rahmen der Digitalisierung wird ein immer wichtigeres Thema. Verschiedene Geschäftsbereiche verwenden oft spezialisierte Lösungen, die über Schnittstellen miteinander verbunden sind. Dabei werden häufig dieselben Informationen von unterschiedlichen Zuständigen in verschiedenen Systemen eingepflegt. Im folgenden Blogbeitrag erfährst du, wie du den Überblick über die Daten behältst, was die Bedeutung einer guten Datenvernetzung ausmacht und wie du das Innovationspotenzial deines Unternehmens nutzt.
In Zeiten immer neuer Möglichkeiten und Anforderungen im Rahmen der Digitalisierung ist die Optimierung von Angeboten und die Verzahnung der zugrundeliegenden Prozesse ein immer wiederkehrendes Thema.
Die Systeme, mit denen in den verschiedenen Geschäftsbereichen gearbeitet werden, sind häufig spezialisierte Lösungen („Best of Breed“-Ansatz), die ihre eigenen Strukturen und Abläufe mitbringen und über Schnittstellen miteinander vernetzt werden.
Wenn man sich solche dynamisch gewachsenen und weiter kontinuierlich wachsenden Strukturen genauer anschaut, fällt schnell auf, dass dieselben Informationen im Zuge unterschiedlicher Prozesse meist von unterschiedlichen Zuständigen immer wieder, teils nur unter anderer Bezeichnung, teils aber auch in anderer Form und Weise neu in eines der Systeme eingepflegt werden.
Um die eigenen Daten effizient einsetzen zu können, aus ihnen Informationen und Unternehmenswissen zu generieren, braucht es eine Instanz, die den Überblick über die erschlagende Menge an vorhandenen und erforderlichen Daten behält und sie über die verschiedenen Geschäftsbereiche hinweg steuert: Das Data Stewardship Council.
Gewachsene Strukturen aus Wissens-Silos sind Sand im Unternehmensgetriebe
Wenn man als Außenstehender in ein Unternehmen geht, wahllos auf ein System zeigt und fragt, welche Informationen dort gespeichert werden, woher sie kommen und wozu sie dienen, bekommt man erst einmal zwar generelle Auskünfte, bei tiefergehenden Fragen aber schnell ein Schulterzucken und am Ende vielleicht den Verweis auf einen Fachspezialisten, der das gegebenenfalls recherchieren könne.
Erkundigt man sich nach bestimmten Feldern in Spezialsystemen, kommt schnell die Frage hoch: „Wozu brauchen wir das eigentlich noch?“, gerne auch gefolgt von „Ich weiß nicht, was passiert, wenn man das Feld löschen würde …“, und so wird Tag für Tag wertvolle Zeit investiert, um Informationen einzugeben, zu prüfen und zu korrigieren, deren Zweck zumindest in Frage gestellt ist.
Selbst wenn so eine Information in anderen Prozessen eine wichtige Rolle spielt: Kennt der zuständige Mitarbeiter den Zusammenhang nicht, kann er weder den nötigen Grad an Sorgfalt abschätzen noch eine informierte Entscheidung für die Fälle treffen, wenn Eingaben außerhalb der Norm oder in einem Graubereich liegen. Mit der Zeit leidet so die Datenqualität.
Ein anderes Szenario, das man sich schnell bildhaft vor Augen führen kann: Wie viele Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen kennen beispielsweise die inneren Zusammenhänge und die ausgetauschten Daten von ERP und Warenwirtschaft gut genug, um Schnittstellen fachlich beurteilen oder die inhaltlichen Vorgaben für Aktualisierungen und Erweiterungen geben zu können? Und wann verlässt dieser Mitarbeiter (die Erfahrung lehrt, dass es selten mehr als eine Person ist, die das Detailwissen zu mehr als einem System und den Prozessen dazwischen hat) das Unternehmen?
Um sich die Herausforderung von der anderen Seite anzuschauen: Wieviel Optimierungs- und Innovationspotenzial kann Ihr Unternehmen dadurch freisetzen, dass die verschiedenen Geschäftsbereiche untereinander von Wissen und Informationen profitieren können, dass Mitarbeiter gemeinsam daran arbeiten, aus Daten neues Wissen und neue Ideen zu generieren? Dass Prozesse davon profitieren können, indem Informationen bewusst und zielgerichtet für die
Folgeschritte erzeugt, erfasst und gepflegt werden, ihre Prioritäten im Unternehmen bekannt sind und die Arbeit damit nach zeitlicher und wirtschaftlicher Relevanz ausgerichtet werden kann?
Um Theater zu vermeiden, hilft eine gute Besetzungsliste
In der Regel wird die Übersicht über Daten und Systeme einem (externen oder internen) IT-Bereich zugeordnet, dessen Mitarbeiter sich ab einer bestimmten Größe und Komplexität auf die zu betreuenden Systeme aufteilen. Ein zentraler Gedanke des Data Stewardship Councils ist aber, Informationen und Wissen der Fachbereiche miteinander zu vernetzen. Es handelt sich also nicht um ein technisches oder ein IT-Gremium, auch wenn es für jedes IT-Vorhaben wertvolle Beiträge leisten kann.
Als Data Stewards sollten für ein Data Stewardship Council operative Mitarbeiter der verschiedenen Bereiche und (bei komplexen Bereichen mit vielfältigen unterschiedlichen Aufgaben) Teams ausgewählt werden, die engagiert und motiviert sind, mit anderen Bereichen zu kommunizieren und das Unternehmen insgesamt nach vorne zu bringen. Führungspersonal oder Manager sind dabei eher ungeeignet, da die nötige Distanz zum Operativen im Rahmen der Leitungstätigkeit oft die Details aus dem Blick geraten lässt, und da die unternehmenspolitische Ebene häufig den direkten, offenen Austausch färbt. Andererseits kann die Position eines Data Stewards oft ein gutes Karrieresprungbrett sein, auf dem man (ähnlich einer Assistenzstelle) kommunikative und strategische Führungsqualitäten in einem geschützten Raum erwerben und vertiefen kann.
Wichtig im Rahmen einer kundenzentrierten strategischen Ausrichtung ist, mindestens alle Bereiche zu berücksichtigen, die in direktem Austausch mit Kunden stehen, sowie diejenigen, die ihnen Informationen zuliefern (wie beispielsweise Produktmanagement und Kreativabteilungen).
Es bietet sich an, auch Vertreter des Controllings mit an Bord zu haben, um die spätere Auswertbarkeit nach verschiedenen Gesichtspunkten zu unterstützen. Außerdem haben viele im Controlling Arbeitende ein gutes Gespür dafür, aus Daten Wissen zu generieren.
Werden spezifische Systeme diskutiert, ist es hilfreich, wenn das Data Stewardship Council einen Zugriff auf die entsprechenden Systembetreuer als technische Experten hat, sie sollten aber eher punktuell zu Rate gezogen werden und so eine zusätzliche, unabhängige Dimension für Optimierungen und Innovationen bilden, um so Ideen nicht zu verwerfen, aber im Nachhinein die Aspekte der technischen Machbarkeit mit einzubringen.
Wichtig für Ansehen und Wirksamkeit des Councils ist, dass ein Sponsor aus der Führungsebene die Data Stewards unterstützt und den Abgleich mit den unternehmerischen Zielen sicherstellt. Hierfür bietet sich zum Beispiel ein CDO an; auch leitende Angestellte einer der Verwaltungsabteilungen, die gut mit der Geschäftsführung vernetzt sind, können eine gute Wahl sein. Wichtig für die Auswahl des Sponsors ist es, einseitige Interessen oder Interessenskonflikte zu vermeiden.
Struktur, Inhalt und die ersten Schritte
Ein Data Stewardship Council sollte sich regelmäßig zu einem festen Termin zusammenfinden, um miteinander an der Datenvernetzung zu arbeiten. Eine feste Terminserie hilft bei Planung und der Abgrenzung gegenüber operativen Anforderungen. Der Regeltermin sollte – nach einem KickOff, in dem sich das Council als Team konstituiert, seine Arbeitsweise und die ersten Prioritäten festlegt, und dem dazu durchaus zwei bis drei Zeitstunden eingeräumt werden sollten – unserer Erfahrung nach zwischen einer halben und einer Stunde liegen. Gibt es viele unterschiedliche Geschäftsbereiche, können spezifische „Zwischentakte“ eingeführt werden, in denen sich ausgewählte Teile des Councils mit definierten Teilbereichen und -aufgaben
beschäftigen, sie sollten sich aber mindestens einmal im Monat zu einer Gesamtsitzung mit den anderen Council Members zusammenfinden, um die Teilergebnisse vorzustellen und miteinander abzugleichen – gerne auch in Anwesenheit des Sponsors.
Die Ziele und Aufgaben des Data Stewardship Councils werden primär von den unternehmerischen Geschäftszielen abgeleitet. Bei den ersten Zielfindungen sollte der Sponsor wenn möglich unterstützen, im Laufe der Zeit kann er aber ein funktionierendes Team gut in die autonome Aufgabendefinition entlassen. Der Sponsor sollte sich dabei seiner Rolle als Unterstützer, nicht als Führender des Councils, bewusst sein.
In der Regel werden die ersten Schritte, selbst bei hinreichender System- und Prozessdokumentation, eher explorativer Natur sein. Die Arbeit an einem virtuellen Board, auf dem der jeweils aktuelle Stand festgehalten bleibt und für das nächste Treffen wieder zur Verfügung steht, bietet sich dabei an. Steht ein fester Raum zur Verfügung, in dem die Ergebnisse sicher und zugänglich verfügbar bleiben, dann ist auch das haptische Erarbeiten zum Beispiel an einer Metaplan-Wand eine gute Möglichkeit.
Die Erhebung des Status Quo erfolgt dabei am besten, um nicht den Überblick zu verlieren, nach Datenclustern wie „Kundendaten“, „Produktdaten“, „Bestelldaten“, „logistischen Daten“ etc., die sich zusätzlich in Stamm-, Bewegungs- und Steuerdaten aufteilen lassen.
Dabei kann man sich mit die verschiedenen betroffenen Prozesse entlang bewegen, die man zum Beispiel mit Ansätzen aus dem Domain Driven Design systemunabhängig formuliert. Ziel ist dabei, das jeweils relevante Informationsangebot mit der Informationsnachfrage abzugleichen, indem einerseits der Data Steward des Bereichs, der Daten beisteuert, diese Daten auf dem Board anbietet, andererseits der Datasteward des Bereichs, der Daten nachfragt, diese Nachfragen dem Angebot gegenüberstellt. Hilfreich ist dabei eine aus dem agilen Umfeld entlehnte User Story-artige Struktur:
In dieser Form lässt sich schnell ein Blick über fehlende oder (erst einmal für die Beteiligten) überflüssige Informationen gewinnen.
Die relevanten Informationen können dann nach Wichtigkeit und zeitlichen Faktoren im Prozess priorisiert, um Metainformationen (wie verwendetes System und Format) angereichert und dokumentiert werden. Hierbei fällt oft auf, an welcher Stelle statt bspw. reiner Text- sich eher strukturierte Informationen wie Auswahllisten etc. anbieten, um Folgeprozesse zu vereinfachen.
Eine oft hilfreiche Grundregel ist, dass der Anfrager Art, Form und Umfang der Information definiert, der Anbieter demgegenüber ein Vetorecht hinsichtlich Verfügbarkeit und operativem Aufwand hat.
Es empfiehlt sich, mit den Ergebnissen ein (Daten-) Glossar anzulegen, in dem zusätzlich festgehalten ist, was unter einer Information verstanden wird, welchen Zwecken sie dient und, falls es solche Fälle gibt, unter welchen alternativen Bezeichnungen die Information in anderen Systemen oder Kontexten verwendet wird. Damit lässt sich dann schnell bestimmen, wo potenziell noch die gleiche Information gepflegt, benötigt oder verarbeitet wird. Außerdem ist ein solches Glossar für das Onboarding neuer Mitarbeiter ein wertvolles Asset.
Der beste Zeitpunkt war zwar gestern, aber heute ist ja auch noch ein Tag
Die Einrichtung eines Data Stewardship Councils bietet sich an, wenn so oder so durch ein datengetriebenes Digitalisierungsprojekt Informationen zu Datenpunkten erhoben werden müssen, sei es für ein CRM-, PIM-, DAM-, ERP- oder Marketing Automation-Projekt. Auch als Vorprojekt zur Abstimmung der User Experience bei bspw. einer Überarbeitung eines Shop-Frontends oder bei Einrichtung von Service-Portalen oder -Apps wird man bereichsübergreifend die Erschließung von Daten zu diskutieren haben. Solche Situationen können ein guter Anlass sein, in das Thema Data Stewardship einzusteigen und dessen Scope und Mitglieder dabei erst einmal auf einen relevanten Ausschnitt der Geschäftsbereiche zu beschränken. Bei der späteren Erweiterung kann das bestehende projektbezogene Council dann seine Erfahrungen und Best Practises zusammen mit den erschlossenen Ergebnissen einbringen und die neuen Mitglieder schnell onboarden.
Auch zur Vorbereitung ähnlich gearteter Projekte, die mittelfristig auf der strategischen Agenda stehen, bietet sich ein analoges Vorgehen an, und mit gut dokumentierten Ausgangsdaten kann man potenzielle Anbieter nicht nur in der Implementierungs-, sondern schon in der Angebots- und Konzeptionsphase unterstützen, nötige Schnittstellen definieren und Datenflüsse festlegen.
Ein weiterer guter Anlass sind anstehende organisatorische Umstrukturierungen, bei denen der Schwerpunkt dann eher bei Erhalt des Unternehmenswissens und Sicherung der Informationsverfügbarkeit liegen wird.
Aber auch wenn keiner dieser Anlässe konkret vorliegt – das Geschäftswissen zu pflegen, zu sichten und zu erweitern ist im strategischen Interesse jedes Unternehmens und sichert seine Funktionsfähigkeit.
Fazit
Wir leben nicht von ungefähr im sogenannten Informationszeitalter. Die Verfügbarkeit von Daten prägt den Alltag, und die schiere Menge an Datenpunkten verstellt oft den Blick auf das große Ganze. Eine feste Instanz, die hier den Überblick erarbeitet und behält, kann nicht nur die Geschäftsprozesse unterstützen und optimieren, sie kann auch der Treiber von Innovation sein, weil sie beurteilen kann, an welcher Stelle Informationen zusammengeführt werden können, ob für einen neuen Service alle Daten vorhanden sind oder, wenn nicht, welche fehlen und wer sie am effizientesten beisteuern könnte.
Gleichzeitig löst eine solche Institution für das Unternehmen zwei zentrale Probleme: Die Bildung von Flaschenhälsen bei Schlüsselpersonen, die stetig durch Anfragen belastet sind, zu denen nur sie Auskunft geben können, und das Problem verlorenen Geschäftswissens bei Ausfall oder Weggang eines dieser Wissensträger.
Die Einrichtung eines Data Stewardship Councils fördert die Transparenz im Unternehmen und unterstützt durch die kontinuierliche Pflege und Erweiterung des Geschäftswissens nicht nur die Zukunftsfähigkeit. Der Austausch der verschiedenen vertretenen Bereiche fördert auch auf der operativen Ebene Zusammenarbeit und Ideenreichtum. Seine Mitglieder können an Führungsaufgaben herangeführt werden, und sie tragen durch steigende Zufriedenheit, wertschaffende neue Aufgaben, Eliminierung von Ineffizienzen und die sich entwickelnde Team-Kultur zum organischen Wachstum des Unternehmens bei.
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